Joakim Nystrom aus Skellefteä

Wie trainieren die Topspieler? Gibt es Unterschiede zum Vereinstraining?

Joakim Nystrom (r) betreute den Österreicher Jürgen Melzer über mehrere Jahre (Foto Jürgen Hasenkopf)

Der TennisFan sprach mit Joakim Nyström, früherer ATP TOP 10 Spieler und Coach des Österreichers Jürgen Melzer.

Hallo Joakim, was macht dein eigenes Tennis?

In diesem Jahr habe ich die Oldie Turniere in Paris und Wimbledon gespielt, sonst habe ich eigene Aktivitäten eingestellt.

Das beste Match deiner Karriere?

Mein glatter Finalsieg im WCT Finale von Dallas gegen John McEnroe, bzw. der Turniersieg in Monte Carlo im Finale gegen Yannik Noah.

Welche Erfolge hast du in Erinnerung?

Mit Mats Wilander habe ich in Wimbledon das Doppel gewonnen, außerdem zweimal den Daviscup für Schweden, nicht zu vergessen den Deutschen Mannschaftsmeistertitel mit dem HTV Hildesheim, Herren 30 mit dir zusammen.

Sagt dir Elmshorn noch was?

Sure, mit Anders Jarryd gewann ich das Herren Doppel im Cool Fire Cup 1999. Viele Grüße nach Elmshorn.

LTC Elmshorn: Cool Fire Cup Sieger im Doppel


Dein Schützling hat in den letzten Monaten, neben Hamburg, die größten Erfolge seiner Karriere mit dem Halbfinale von Paris, dem Wimbledontitel im Doppel, dem Sieg über Nadal in Shanghai und gerade die Titelverteidigung seines Heimturniers von Wien gefeiert. Nun ist er schon etwas länger auf der ATP Tour dabei, warum erst jetzt, mit 29 Jahren, diese Siege?

Jürgen war immer ein großes Talent, konnte jeden Schlag und wollte auch möglichst viele von diesen einsetzen. Ich arbeite jetzt seit zwei Jahren mit ihm zusammen und es war nicht so einfach, ihn zu einem einfacheren Spielen zu „erziehen“.

Was heißt das?

Nur mit spektakulären Schlägen gewinnt man selten ein Match. Er musste lernen, nicht unbedingt Stop-Lob mit dem Gegner zu spielen oder einen Gewinnschlag mit 300, wenn es auch mit 150 geklappt hätte.

Das hat er jetzt besser drauf?

Auf jeden Fall, das zeigen ja die jüngsten Ergebnisse. Sein Kopf ist jetzt auch viel klarer. Vor kurzem war es noch folgendermaßen: die Punkte spielte Jürgen heraus, die Fehler hatte der Coach zu verantworten. Dies haben wir in vielen Gesprächen gut hinbekommen. Es kann nicht sein, dass der Spieler sich nach Gewinnschlägen feiern lässt, bei Fehlern aber den Coach auf der Tribüne hilfesuchend anschaut und ihn sogar teilweise „anmacht“, als hätte dieser den Ball verschlagen.

Noch was?

Nach Niederlagen kam es vor, dass er mir weismachen wollte, das wäre einfach kein optimaler Tag gewesen: mehr war nicht drin, abhaken, beim nächsten Mal wird es besser. Das war es für ihn. Das habe ich als sein Coach nicht zugelassen. Anfangs nervte es ihn, direkt nach einem verlorenen Match an den Fehlern zu arbeiten. Gerade nach seiner Niederlage in Stuttgart bat er um einen freien Tag. Das habe ich nicht nur ignoriert, sondern ein bisschen mehr Schärfe ins Training gelegt; manchmal habe ich das Gefühl, er mag mich nicht.

Wie viele Wochen im Jahr reist ihr zusammen?

Um die 28 Wochen arbeiten wir zusammen, ein Co-Coach übernimmt den Rest des Jahres. Jürgen fühlt sich wohler, wenn er weiß, dass jemand auf der Tribüne ist. Ein Physiocoach übernimmt in Abstimmung mit mir das Fitnessprogramm.

Wie sieht ein Trainingstag aus?

Das kommt darauf an, ob wir uns auf ein Turnier vorbereiten oder ein Turnier spielen. Ich bin ein old fashion Coach, der zwar die Trainingslehre von heute kennt, aber nicht auf alte Methoden verzichtet. Als ich meine Karriere im Team mit Mats Wilander und Anders Jarryd begann, gab der Trainer vor, was an dem Tag zu passieren hatte. Basta, und keine Widerrede. Das hat uns nicht geschadet. Heute musst du manchem Spieler langatmig erklären, warum und wieso er dies und das machen soll, da ist der Tag beinahe nur mit Erklärungen vorbei.

Jürgen zu Joakim: “Im Training den Ball fünfmal in eine Ecke spielen, du hast sie wohl nicht alle”. (Foto Jürgen Hasenkopf)

Bitte um Erklärung.

Als ich mit Jürgen startete, stellte ich fest, dass er nicht derjenige war, der gern einen Schlag über einen längeren Zeitraum trainierte. Er war bös erstaunt und meinte, ob ich sie noch alle hätte, als ich ihm mitteilte, dass er mir erst mal zeigen soll, ob er den Ball fünfmal in die gleiche Ecke spielen kann, ohne einen Fehler zu machen. Das war konzentrationsmäßig ein riesiges Problem. Dass er einen Ball fünfmal irgendwie in die gleiche Ecke bekommt ist schon klar, aber wie? Erster Schlag in Rücklage, zweiter nur Druck aus dem Arm, dritter zu eng, vierter zu gerade und fünfter zu kurz. Kein Ball gleich. Das war ihm damals egal.

Wie trainiert ihr dies?

Ganz einfach: eine halbe Stunde Vorhand auf Vorhand, eine halbe Stunde Rückhand auf Rückhand. Ebenso 30 Minuten Aufschläge. Hört sich eventuell nach wenig an, versuch aber mal, dies eine halbe Stunde konzentriert zu spielen. Matche kommen erst danach. Das war  für Jürgen eine harte Zeit. Ich durfte früher einige Male mit dem australischen Daviscup Coach Harry Hoopman trainieren. Da bin ich öfter vom Platz gekrochen und habe mich teilweise vor Überanstrengung übergeben müssen. Das kannst du heute keinem mehr vermitteln, ohne eine Anzeige wegen Körperverletzung zu bekommen. Mir hat es viel gebracht. Warum soll man denn ausgerechnet im Match seine Leistungsgrenze erreichen, wenn man im Training nie dort ran reicht?

Das ist schon einmal ein guter Tipp für die Jugend (abgesehen vom übergeben), was würdest du den heutigen Jugendlichen, die Profi werden möchten, außerdem raten?

Fire and Desire - also: heiß sein auf Training, gierig auf Training, nach Training verlangen, selbst zu wollen, ohne motiviert werden zu müssen. Training einfach genießen können. Und möglichst früh, wie vorhin schon erwähnt, sein Spiel zu spielen, ohne nach jedem Ball zum Trainer oder zu den Eltern zu schauen.

Wie ist Jürgen außerhalb des Platzes zu handeln?

Er ist ziemlich sensibel. Kann schon mal vorkommen, dass, wenn er morgens beim Frühstück von einem seiner ATP Kollegen nicht gegrüßt wird, und sei es auch nur, dass der ihn nicht gesehen hat, er den ganzen langen Tag darüber grübelt, was er dem angetan haben könnte, das macht ihm dann sehr zu schaffen.

Vor kurzem hieß es noch, Jürgen Melzer würde jedem Rock hinterherlaufen und sein Talent in Discos verschleudern. Er wurde sogar mit seinem österreichischer Landsmann Laci Legenstein verglichen, von dem hieß es: Mütter, sperrt die Töchter ein, es kommt der Laci Legenstein.

Ha, ha. Die Vergangenheit kenne ich auch nur vom Hörensagen. Fakt ist, seine jetzige Freundin ist Leistungsschwimmerin, kennt also das Profileben und das notwendige Drumherum. Sie passt ideal zu Jürgen.

Joakim, danke für deine Zeit und weiter viel Erfolg mit Jürgen Melzer.

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