Grand Slam in Belek, der Alptraum geht weiter
Die Vorhand ist der Schlüssel zum Erfolg
Ich war da. Eine Woche Belek, Tennis Camp im Club Soyguncu! Für lumpige 1400 Piepen sollte ich „Professionelles Training, beste Bedingungen, nette Leute und Party, Party, Party“ haben. All inclusive! Nach zwei untätigen Tagen (siehe die letzten beiden Ausgaben vom TennisFan) war ich nun endlich heiß auf Tennis.
Meine Sporttasche und Schläger, dieser göttliche Tretorn Supreme (so etwas wie das Laserschwert eines Jedi-Ritters, nur für zivile Zwecke) hatten den Weg ins Hotel immer noch nicht geschafft. Ich war aufgeschmissen. Der nicht ganz austrainiert wirkende Tennislehrer Stavros Schmidt des Clubs hatte mir zwar angeboten, mir mit seiner eigenen Kleidung auszuhelfen, aber das war nicht nur wegen seiner stark von meiner abweichenden Physis für mich vollkommen ausgeschlossen.
Also machte ich zunächst passiven Tennisurlaub, saß auf der Terrasse vom Hotel und guckte den anderen Gästen beim Spielen zu. Es gab drei Sandplätze, von denen zwei bespielt wurden. Im Dritten klafften mehrere tiefe Löcher und zwei Männer mit Schaufeln suchten anscheinend nach irgendwelchen Leitungen.
Auf Platz A spielte das Ehepaar Stöterbeck gegen die Ahlmanns (die Namen erfuhr ich später beim „Apres match“) so etwas wie Tennis Ping Pong, das erkannte selbst ich als Laie. Die vier Endsiebziger in ihrer blütenweißen Sportbekleidung (inklusive hochgerissener Tennissocken und passendem weißen Gürtel in der Tennishose bei Herrn Ahlmann) spielten kein Match um Sieg und Niederlage sondern bemühten sich, den Ball einfach nur im Spiel zu halten. Frau Ahlmann schlug den Ball immer gerade übers Netz zu Herrn Stöterbeck, der spielte diagonal zu Herrn Ahlmann, der wiederum Frau Stöterbeck auf der anderen Seite bediente, die dann schließlich den Ball im Zeitlupentempo zu Frau Ahlmann schlug. Dann begann der Reigen von vorne. Immer wieder. Ohne Unterbrechung. Alles schweigend und hoch konzentriert.
Eine ganz andere Szenerie bot sich dagegen auf Platz B: Kalli gegen Jockel. Zwei graue Tennis-Schlachtrösser mit unerschöpflicher Mega-Kondition und krankhaftem Ehrgeiz, den jeweils anderen sportlich zu vernichten. Stundenlang bekriegten sie sich jeden Tag aufs Neue. Es war wirklich eine große Show, die beide boten. Kalli feierte jeden einzelnen Punktgewinn wie einen Sieg in Wimbledon ab und kommentierte stets mit „So macht man das... und nicht anders!“ oder auch „Besser kann man einen Ball nicht spielen!“. Jeder Punktverlust hingegen schien das größte Ärgernis auf dem Planeten zu sein und wurde ebenso angefressen gerechtfertigt („Nur Glück! Du hast nur Glück!“). Jockel auf der anderen Seite machte es nicht anders. Sie schenkten sich nichts! Ab und zu schrien die beiden sich mit puterrotem Gesicht und zur Grimasse verzerrten Gesichtern so laut und zornig um knappe Ausbälle, Aufschlagfehler oder Netzroller an, dass die Hunde in der Nachbarschaft für einen Moment aufhörten zu kläffen und selbst das metronomgleiche Spiel der Partie Stöterbeck/Ahlmann leichte Aussetzer erfuhr.
Am folgenden Tag war meine Ausrüstung zwar immer noch nicht da, aber mir bot sich unvermittelt die Gelegenheit Frau Stöterbeck in der Zeitlupencombo zu vertreten. Sie „fühlte sich nicht“ und zog es vor, den Nachmittag bei 35 Grad im Schatten und absoluter Windstille auf ihrem Zimmer zu bleiben. Die Sonne knallte auf den staubigen Platz und einzig von der Fettfabrik nebenan waberte ein abscheulicher Mief über den Platz. Meine Aufgabe war ganz eindeutig definiert: Ich empfing den Ball vom Ahlmann und hatte ihn mit etwa 4 Km/h diagonal zu seiner Gattin zu schlagen. Es dauerte eine Zeit lang, bis ich mich auf die Spielart der anderen drei eingestellt hatte und erntete bis dahin bedauerndes Kopfschütteln oder ein abstrafendes „Ach Gott, Junge. Was machen wir denn bloß mit Dir?“ Von der Terrasse rief Stavros immer wieder: „Vorhand ist Schlüssel zu Erfolg!“ und streckte mir stets dabei den aufrechten Daumen entgegen. Zu Hause hatte ich einige Male mit meinem gewichtigen Holzschläger den Filzball auf das Garagentor gedonnert. Hier hielt ich den Babolat Pure Drive Play Supreme II von Inge Stöterbeck in der Hand. „Der ist ganz schön teuer!“, wie mir Herr Stöterbeck mahnend zuraunte.
Die Stöterbeck‘sche Unpässlichkeit hielt sich auch am nächsten Tag, und ich war geduldet. Morgens eine Stunde und nachmittags ebenfalls auch noch einmal Rentnertennis par excellence. Von der Terrasse aus prüfte Stavros meine Vorhand und gab mir nach dem Spiel abschließend stets einen Klaps auf den Hintern. Am nächsten Tag war Inge wieder fit und ich war wieder Zuschauer. Am Folgetag kam endlich mein Sportzeugs und ich konnte es an der Rezeption rechtzeitig zur Abreise in Empfang nehmen. Zumindest war nichts verloren gegangen.
Tja, und nun? Nun ist meine Vorhand der Schlüssel zum Erfolg. Fehlt Ihnen also ein vierter Mann für Tennis Ping Pong, bin ich Ihr Mann. Postkarte genügt!