Alptraum in Belek
Grand Slam in Belek, der Alptraum beginnt.
Ich hab‘s tatsächlich getan. Ich war für eine Woche in Belek im Tennis Camp im Club Soyguncu! Ein super Angebot als Postwurfsendung versprach mir „professionelles Training, beste Bedingungen, nette Leute und Party, Party, Party“. All inclusive ab 1.399 Euro.
Ich hab zwar keine Ahnung von Tennis, aber vom Verreisen nun mal auch nicht. Es war wahrlich ein unvergesslicher Urlaub. Für Sie hier lediglich in aller Kürze eine Rückschau der Ereignisse, die ich wahrscheinlich mit professioneller Hilfe eines Mentalpsychologen noch einmal aufarbeiten muss.
Schon die Anreise per Flugzeug war für mich Horror. Ewig lange Verspätung und dann diese Horde grenzdebiler Kreisfußballer an Bord, die nur in Trainingsanzügen und Badelatschen reisten und dafür jegliche Rhetorik und gute Manieren zu Hause ließen. Stunden später, mitten in der Nacht, stand ich am Antalya Airport am Gepäckband mit meinem verbeulten Trolley und wartete auf meine Sporttasche und vor allem auf meinen Tennisschläger. Gebannt starrte ich auf das mit Gummistreifen verkleidete Loch in der Wand. Ich starrte und starrte, aber auch nach einer halben Stunde Gestarre fehlte meine Ausrüstung und vor allem mein verlängerter Arm, der Tretorn Supreme, diese brandgefährliche, hölzerne Wunderwaffe.
Der Bus für den Transfer in den Club war längst weg und so musste ich mit dem Adresszettel in der Hand einen der Taxifahrer vor dem Flughafen anbetteln, mich um diese Zeit noch nach Belek und in den Club Soyguncu zu karren. Die wenigen Autominuten Entfernung, die das Prospekt versprach, entpuppten sich als eine knappe Stunde und der Fahrer ließ mich mitten in einem Gewerbegebiet zurück. Container, Garagen, Blechhallen und dazwischen ein mittelgroßer Hotelklotz, so viel konnte ich in der Dunkelheit erkennen. Gegenüber vom Hotel war eine Großraumdisco in einer Wellblechhalle untergebracht. Jedes Mal, wenn die Bässe der Lautsprecheranlage eine gewisse Frequenz erwischten, vibrierte die ganze Hütte in einem wahnsinnigen Geräusch und drohte einzustürzen. Ich musste lachen. Das Lachen verging mir jedoch schlagartig, als ich Minuten später in meinem Hotelzimmer stand und aus dem Fenster auf genau diese Disco blickte und feststellen musste, dass sich das Einsturzgeräusch ziemlich oft einstellte.
Nach Stunden fiel ich in einen unruhigen Schlaf und erwachte morgens um 14:12 Uhr, mit Kopfschmerzen. Das Frühstücksbuffet war abgeräumt und Abendessen gab es erst um 18:00 Uhr. Ich erkundigte mich nach meinem verloren gegangenen Gepäck, die Frau an der Information zuckte jedoch nur mit den Schultern. Ich legte mich angeschlagen wieder ins Bett, hörte ein bisschen dem Baustellenlärm von nebenan zu und schreckte von einsetzenden Bässen hoch – die Disco hatte wieder aufgemacht. Der Discobetrieb ging täglich von 18 bis 7 Uhr, wie ich erfuhr, und die letzten Gäste standen stets noch etwa zwei Stunden vor der Disco und konnten sich nicht entscheiden, was sie mit dem „angebrochenen Abend“ noch anstellen sollten.
Irgendwie schlief ich wieder ein, wachte erst um kurz nach acht auf, ging ins Restaurant, wo das Buffet gerade abgeräumt wurde. Ich konnte mir schnell noch ein paar gesprenkelte Bananen und zwei, drei Scheiben geschnittenes Meterbrot schnappen und ging das erste Mal zu den Sportanlagen des Clubs. Hinter der Terrasse lagen ganze drei Tennisplätze. Ich schaute links, ich schaute rechts. Drei Plätze. Links ein Schrottplatz, rechts eine aromareiche Fettproduktion. Ich fragte nach dem Tennislehrer. Man deutete auf einen kugelbäuchigen Endsechziger mit stark gegeltem Resthaar. Er sah ein bisschen aus wie Danny De Vito, nur nicht ganz so sportlich, und saß sonnenbebrillt auf der Terrasse hinter einem Glas Weizenbier und erzählte der Rentnerrunde am Tisch gerade eine illustre Geschichte von seiner angeblichen Zweitrundenpartie in Roland Garros 1974. Er war Grieche, sein Name war Stavros Schmidt und er duzte mich sofort und hielt die ganze Zeit seine Hand um meine Hüfte gelegt. Ich wand mich aus seiner Umarmung, stellte mich vor und erzählte, dass meine Ausrüstung es noch nicht ins Hotel geschafft hätte. Er sagte „Make nix, mein Freund! Bleibt hier immer was liegen, was Du nehmen kannst“ und bot mir ebenfalls an, dass er mir zunächst auch mit Klamotten von ihm aushelfen könne. Ich zögerte. Tja, ich hab zwar keine Ahnung von Tennis, aber schon davon, dass mir Konfektionsgröße 24 in Hosen, verbunden mit Vierfach-XL nicht wirklich steht.
Dass ich dann tatsächlich doch noch den Tennisschläger schwang und was noch passierte, lesen Sie an dieser Stelle in der nächsten Ausgabe vom TennisFan.