Balljungen und die Handtücher der Stars – Albtraum der Mütter

Die Handtücher der Stars

Ich hab ja nun keine Ahnung von Tennis, aber dass neben Schläger und Ball auch das Handtuch unverzichtbares Equipment auf dem Platz geworden ist, das ist ja auch für den Kenner des Sports durchaus schon etwas sonderbar. Das Handtuch zum bzw. nach dem Duschen hat sich ja nun schon seit Längerem allgemein im Tennis, aber auch in den anderen schweißtreibenden Sportarten als Abtrockhilfe Nr. 1 durchgesetzt.

Die kulturgeschichtliche Bedeutung des Handtuchs im Sport ist quasi schnell erzählt. Die Zeiten, in denen nach dem Sport ungewaschen wieder in die zuvor getragene Kleidung geschlüpft wurde, liegen (im Allgemeinen) erfreulicherweise weit zurück, und nachdem sich zuweilen bis in die Achtzigerjahre noch im Mannschaftssport zu mehreren ein Handtuch geteilt werden musste, hat sich in den letzten Jahrzehnten die individuelle Anwendung eines Handtuchs pro Sportler schnell etabliert. Zwar wird sich besonders beim Fußballsport und auch im Handballsport noch weit verbreitet das Shampoo geteilt, doch ein Handtuch hat jeder für sich alleine. Doch auch hier gibt es Ausnahmen, doch diese detailliert zu schildern, würde erstens den Rahmen sprengen und gehört hier andererseits auch nicht hin, schließlich geht es im weitesten Sinne um Hygiene.

Zum Thema zurück. Im Tennissport ist seit Jahren handtuchtechnisch eine recht befremdende Entwicklung zu beobachten, denn neben dem Duschhandtuch scheint ein weiteres auf dem Platz unabdingbar zu sein. Vom absoluten Spitzentennis auf den Centre Courts der Metropolen der Welt bis zum letzten Nebenplatz der Kreissportanlage gleich neben dem Gewerbegebiet, von der ATP Top Ten bis zur 4. Herrenmannschaft des Dorfvereins: ein Handtuch so groß wie ein Badelaken in (Zu)Reichweite ist unverzichtbares Must-have geworden.

Vor einigen Jahren ist es im Profi-Circuit zur Unsitte geworden, dass die Spieler sich in ihren Handtüchern den Schweiß abwischen, gehaltvoll hineinrotzen, sich sogar Blut von kleineren und größeren Verletzungen abwischen. Dann wird das Handtuch acht- und gedankenlos den Ballkindern (die ja bei manchen Turnieren gar keine Kinder mehr sind. Mein lieber Schwan ...) zugeworfen. Die müssen dann sehen, wie sie mit dem ekligen Stück Frottee umgehen.

Nicht nur besorgte Mütter von Ballkindern fragen sich, warum sich die Kinder denn nicht ausschließlich, wie es vorgesehen ist, um die Bälle kümmern. Sie stehen stets sofort parat, wenn der hochgradig infektiöse Lappen verlangt wird, und nehmen diesen dann auch wieder umgehend entgegen. Genau das führt im Übrigen zum nächsten Punkt, dem inflationären Gebrauch der Handtücher. Roger Federer hat beispielsweise in Indian Wells einmal mehr die Zeitschinderei zwischen den einzelnen Ballwechseln beklagt und sich nicht gescheut, die Kollegen Djokovic und Nadal namentlich als Handtuch-Zeitschinder zu benennen. Es ist alles andere als zuschauerförderlich und schon gar nicht fernsehtauglich, jene nahezu ewigen Handtuch-Wischorgien der Spieler zu erleben. Da wird sogar nach einem Ass schon wieder das Handtuch vom Ballkind verlangt. Geht’s eigentlich noch? Kein Wunder, dass Spiele so immer länger dauern und man sich als Zuschauer fragen muss, ob der eigene Urlaub denn noch ausreicht, um das aktuelle Match bis zum Ende zu erleben.

Andere Sportarten haben da längst reagiert und den inzwischen schon zwanghaften Handtuchgebrauch drastisch eingeschränkt ‒ nicht zuletzt, um die Dramaturgie des jeweiligen Spiels zu erhalten. Tennisspiele sind, das ist nun einmal Realität, in der Summe eh schon zu lang für die modernen Konsumgewohnheiten der Kundschaft, da täuscht die Begeisterung über die Marathonmatches bei Grand-Slam-Turnieren nur über die realen Bedürfnisse der Leute hinweg. Dann lieber die Zusammenfassung bei Eurosport.

Und sowieso: Der einzige Sport, in dem der Handtuchgebrauch wirklich eine Berechtigung hat, ist das Boxen, weil dann ist eh alles gelaufen. Aber wie gesagt, ich hab ja nun gar keine Ahnung von Tennis.

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Der Tennislehrer

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Grand Slam in Belek, der Alptraum geht weiter