1x Vorhand für € 8,70
Bitte einmal für € 25 Aufschlag (Foto Jürgen Hasenkopf)
Der Tennistrainer/die Tennistrainerin: Bitte einmal Vorhand für € 8,70
Wer sich auf dem Sofa ein Match von Carlos Alcaraz anschaut, kann den Eindruck gewinnen, dass es keines allzu großen Trainingsaufwandes bedarf, um zwar nicht ganz oben, aber in der Deichliga gut mithalten zu können. Es sieht nicht zu schwer aus bei dem frisch gebackenen Wimbledon Sieger, eher sogar leicht. So wie jeder beim Darts oder Billard nach drei Nächten Training mindestens Kneipenligaformat erreichen sollte.
Was kostet nun aber eine durchschlagende Deichligatennisvorhand wirklich? Gibt es eine Preisliste für Volleys, Stopps und „Hinterm Rückenschläge“? Fragen Sie doch einmal ihren Trainer nicht nach der Stundengebühr, sondern welche Liga Sie bei ihm für exakt € 1.250 erwarten können? Klar sollte Ihnen noch sein, nur mit einer Vorhand kommt man nicht weit, in die Rückhand investieren Sie noch einmal so viel - wenn nicht mehr - und der Aufschlag von Alexander Bublik sollte irgendwo bei einer weiteren Stelle vor dem Komma liegen. Zwischen € 2.500 und € 250.000 je nach Talent wäre die erste Stufe Richtung Profi wohl zu schaffen. Wer in kurzer Zeit über dem € 250.000 Betrag liegt, könnte sich auch nach einer anderen Sportart umschauen.
“Hinterm Rückenschläge” sind nicht unter € 250.000 zu haben. (Jürgen Hasenkopf)
Kommen wir jetzt wieder zum Wichtigsten in der Kette zum Erfolg: dem Tennislehrer unseres Vertrauens. Grundsätzlich unterscheiden wir - nach meiner Erfahrung neben den oben bereits angeführten Zockern, Gaunern und Bauernfängern - zusätzlich drei Untergruppierungen von Tennislehrern. Die erste macht am meisten Spaß: da werden 60 Minuten lang Witze erzählt und dann die Gebühren kassiert. Man bekommt davon keine besseren Schläge, auf jeden Fall hat man nach der Stunde meist eine bessere Laune als vorher. Der zweiten Sorte ist daran gelegen, vor dem ersten Schlag den aktuellsten Schläger zu verkaufen. Der ist zwar um rund € 150 teurer als das Modell der Vorwoche, zeichnet sich aber durch die neue Lackierung positiv aus. Diese Verkäufe sind verständlich, denn die Provision liegt um einiges höher als das Honorar der eigentlichen Trainerstunde. Ein normal verbrauchender Spieler kommt damit zwar zu keinem besseren Schlag, aber zu einem Keller, der nach und nach die Gestalt eines größeren Tennisshops annimmt. Die dritte Kategorie der Tennistrainer ist von jener Art, die ihrem Schüler etwas beibringen möchte. Sie gilt als Geheimtipp.
Was kostet diese Technik? (Foto Jürgen Hasenkopf)
Mein erster Trainer, von dem ich nicht weiß, ob ich ihm Dankbarkeit schulde, war eine Mischung der ersten beiden Arten. Es handelte sich um einen Tschechoslowaken, dessen Geschichten von einem kurzen, nicht nachweisbaren, von ihm aber immer wieder betont erfolgreichen Gastspiel auf der ATP Tour und meist stattlichen Damen handelten. Nun muss man wissen, dass meine ersten Trainingsstunden in den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stattfanden, in denen ein gewisser professioneller Grundstandard in Bezug auf seinen Trainer gelegt wurde, man nahm ja nicht jeden. Damals waren alle Tschechen oder Jugoslawen oder Österreicher oder Italiener nach eigenen Angaben verhinderte Daviscupspieler ihres Heimatlandes (nur die Inkompetenz des jeweiligen Daviscup Coaches schloss einen Einsatz aus), was die persönliche Vermarktung in ungeahnte Höhen schießen ließ. Deutsche Spitzentrainer konnten in diesen Zeiten des Tennisbooms ihre Erfolge besonders in der Tschechoslowakei, in Jugoslawien, in Österreich und in Italien an den Mann und die Frau bringen. In Zeiten ohne Internet, Facebook etc. waren die selbsternannten Starcoaches auf Mund zu Mund Propaganda angewiesen. Kennen sie noch das Spielchen „Stille Post“. Einer flüstert dem nächsten einen Begriff ins Ohr, und der 23. darf diesen dann den staunenden 22 Vorflüsterern verraten. So wurde aus manchem nicht nominiertem Kreisligachamp ein mehrfacher Wimbledonsieger.
Jedenfalls verkaufte mir der Besagte in nur vier Monaten zwei Head, drei Prince und vier Wilson Schläger und teilte mir danach mit, dass ich kein besonderes Talent hätte, aber viel Spaß damit haben würde. Ich weiß bis heute nicht, wie er das meinte. Im Laufe der Jahre habe ich etwa zwei Dutzend Trainer ausprobiert, verschlissen, zur Verzweiflung gebracht und ihnen Tausende von Mark und Euro überwiesen. Ich bedankte mich bei Allen für die wichtigen Hinweise und versprach, sie nie zu vergessen.
Frust, Frust und Frust. Da sollte man noch mal € 10.000 investieren. (Jürgen Hasenkopf)
Ein besonderes Erlebnis hatte ich mit jener Trainerin, bei der ich mich aus Zeitgründen telefonisch anmeldete. Sie hatte eine Stimme, die mich irgendwie an mein erstes Rendezvous erinnerte, also wechselte ich in diesem besonderen Fall meine Socken, stattete mich neu aus und übersprühte alles über und über mit Parfum. Die Besagte stellte sich als ein Wesen von über 1,80 m heraus, das bei den Grand Slams dreimal im Viertelfinale gewesen sein soll. Sie hatte einen festen Händedruck und ließ sich weder von Socken noch Duft besonders beeindrucken. Vielmehr forderte sie mich sachlich auf, einige Bälle zu schlagen. Sie wolle sehen, worauf sie ihre Arbeit an mir konzentrieren müsse. Ich hatte nicht meinen besten Tag. Nach kurzer Zeit blickte sie mir in die Augen und sagte verachtend mit einer nicht zu überbietenden gelangweilten Stimme: „Dann kommen Sie wieder, wenn Sie gesund sind.“ Im Weggehen murmelte sie etwas, was so klang wie: „Und wenn du Trottel beim nächsten Mal wieder in Parfüm badest, bleib, wo der Pfeffer wächst.“
Der Tennistrainer, von dem ich am meisten lernte, war ein eher mickriges Kerlchen mit traurigem Blick, der verriet, dass ihm kein Elend fremd ist. Ich wies auf meine Schwierigkeiten hin, bei der Rückhand den Rückhandgriff einzusetzen. Er schüttelte sein Haupt: „Quatsch, wegen mir brauchen Sie überhaupt keinen Rückhandgriff.“ Ich erklärte, dass es mir schwer fällt, beim Aufschlag den Hochwurf des Balles genau zu timen. Er wiederholte: „Quatsch, hauen Sie einfach drauf und sehen Sie zu, dass der Ball fliegt.“ Hoffnungsfroh meinte ich: „Und was ist mit dem in-die-Knie-gehen bei der Vorhand?“ Er darauf: „So ein Blödsinn. Wenn es Ihnen Spaß macht, bleiben Sie aufrecht stehen.“ Es hat nie eine Trainingsstunde gegeben, die für mich befriedigender verlief. Seitdem halte ich mich streng an die Anweisungen dieses Mannes. Ich spiele nicht besser, aber es macht mir überhaupt nichts aus.